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Bayerische Gewässer im Klimawandel

Wie bayerische Gewässer unter den Folgen des Klimawandels leiden und was wir tun können, um sie zu schützen, erläutert Prof. Jürgen Geist im Experteninterview. Er ist Lehrstuhlinhaber für Aquatische Systembiologie an der TU München.

Wie reagieren die bayerischen Gewässer im Klimawandel?

Prof. Jürgen Geist: Der Klimawandel wirkt sich in unterschiedlicher Weise auf die Gewässer aus. Dies betrifft sowohl die Menge und zeitliche Verfügbarkeit von Wasser (Quantität) als auch seine Qualität und die Lebensgemeinschaften in Gewässern. Das Austrocknen von Gewässern und das Überschreiten kritischer Temperaturtoleranzen kälteliebender Arten hat auch in Bayern in den letzten Jahren bereits mehrfach zu Problemen wie Fischsterben geführt. Generell löst sich bei wärmerer Wassertemperatur weniger Sauerstoff im Wasser, auf den alle höheren Organismen angewiesen sind. Mit steigender Temperatur beschleunigen sich aber auch die sauerstoffzehrenden Abbauprozesse, wodurch eine Sauerstoffknappheit noch weiter verstärkt wird.

Darüber hinaus gibt es auch weniger offensichtliche Folgen des Klimawandels auf die Gewässer, die z.B. zu Veränderungen in den Lebensgemeinschaften führen. So profitieren meist anspruchslose und tolerante Arten, darunter auch viele hier eigentlich nicht heimische Arten, während Populationen von Spezialisten in bayerischen Seen und Flüssen meist zu den Verlierern des Klimawandels zählen und zurückgehen. Fischregionen verschieben sich und Arten, die mit einer Vielzahl von Lebensbedingungen zurechtkommen, breiten sich weiter aus.

Niedrigwassersituationen und das Austrocknen von Gewässerabschnitten wie hier im Sommer 2022 in Flussperlmuschelgewässern in Nordostbayern treten im Kontext des Klimawandels vermehrt auf. Copyright: Prof. Jürgen Geist

Welche direkten Folgen haben die Veränderungen in den Gewässern für den Menschen?

Prof. Jürgen Geist: Die Veränderungen in den Gewässern haben vielfältige Konsequenzen für den Menschen. So gehen viele Fischarten, die für die Fischerei in Bayern einen hohen Stellenwert haben, zurück und können nur durch großen Aufwand erhalten werden. Einige unerwünschte Arten, wie das stachelige und daher bei Badegästen sehr unbeliebte Nixenkraut, breiten sich hingegen weiter aus.
Auch die Wasserqualität kann beeinträchtigt werden. Einer der Gewinner der veränderten Klimabedingungen in den Seen sind z.B. Cyanobakterien, die früher oft als Blaualgen bezeichnet wurden. Die stabile Schichtung des Wassers begünstigt ihre Massenvermehrung. Das hat Konsequenzen für das gesamte Ökosystem, bis hin zum Menschen, denn Cyanobakterien können Toxine produzieren. Darunter sind z.B. Nervengifte und Lebergifte. In den letzten Jahren gab es einige Fälle in Bayern, bei denen Hunde zu Tode gekommen sind, weil sie im Uferbereich Cyanobakterien aufgenommen haben. Auch für Badegäste besteht eine Gesundheitsgefährdung, insbesondere für Babys und Kleinkinder.

Welche Maßnahmen sind erforderlich, um die bayerischen Gewässer vor den Folgen des Klimawandels zu schützen?

Prof. Jürgen Geist: Natürlich müssen Klimaschutzmaßnahmen, vor allem das Reduzieren von CO2-Emissionen, der primäre Ansatzpunkt sein.
Es gibt jedoch auch Maßnahmen, um die Widerstandfähigkeit bzw. Resilienz der bayerischen Gewässer zu stärken. In von stellenweiser Austrocknung und hohen sommerlichen Temperaturen betroffenen Fließgewässern beispielsweise ist das Wiederherstellen von Durchgängigkeit prioritär: Vielerorts sind Flüsse so verbaut, dass Wanderbarrieren ein Ausweichen von Arten auf günstigere Bereiche verhindern. Eine wiederhergestellte Durchgängigkeit würde es gefährdeten Lebewesen ermöglichen, bei Extremsituationen in Refugien wie Bereichen mit einströmendem kühlen Grundwasser zu überdauern und nach solchen Zeiten die übrigen Gewässerbereiche auch wieder schneller zu besiedeln.  
Eine weitere wichtige Maßnahme zur Steigerung der Resilienz ist, wieder mehr Wasser in der Landschaft zu halten. In der Vergangenheit wurden zum Beispiel viele Flächen drainiert, um die Flussauen landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Das waren jedoch Zeiten, in denen Wasser bei uns nie knapp war. Jetzt müssen wir dringend umdenken. Einzugsgebiete, die wie ein Schwamm wirken, sind für den Arten- und Gewässerschutz in Zeiten des Klimawandels sehr wichtig, weil sie sowohl bei Trockenheit als auch bei Starkregen puffernd wirken.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels müssen andere Stressoren möglichst minimiert werden. So hat zum Beispiel fehlender Uferbewuchs einen gravierenden Einfluss auf die Temperatur der Gewässer und übermäßige Nährstoffeinträge verschärfen die Situation. Naturnahe Gewässer mit breiteren Uferrandstreifen, wie sie durch Restaurierungen vielerorts wiederhergestellt werden, können daher helfen, die Folgen des Klimawandels auf die Gewässer abzumildern.

Unsere konkrete Aufgabe in der Wissenschaft ist neben der Forschung zu den Effekten des Klimawandels, herauszufinden, mit welchen Maßnahmen wir die Resilienz der Gewässer am effektivsten stärken können.

Das Bild zeigt Prof. Dr. Schmudde

Copyright: Andreas Heddergott

Zur Person

Welche Faktoren steuern die Biodiversität in Gewässerökosystemen? Wie wirken sich Stressoren auf Gewässer und ihre Lebensgemeinschaften aus? Wie können effektive Schutzstrategien entwickelt werden? Das sind die Fragen, mit denen sich die Forscherinnen und Forscher unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Geist am Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie beschäftigen. Er und sein Team verwenden dabei Methoden aus verschiedenen Disziplinen. Sie entwickeln neue Messverfahren und Marker, um den Zustand der Gewässer und seine Qualität als Lebensraum zu analysieren und zu bewerten.