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Nachhaltiges Bauen auf Grundlage der Lebenszyklusanalyse

Wie wir in Zukunft bauen müssen, um dem Klimawandel zu begegnen – ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Werner Lang, Inhaber des Lehrstuhls für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen (ENPB).

Derzeit verbraucht der Gebäudesektor in Bayern rund 40 Prozent der eingesetzten Endenergie, also dem Anteil der Energie, der nach Energieumwandlungs- und Übertragungsverlusten schlussendlich beim Verbraucher ankommt. Weltweit sind ca. 55 Prozent des Strombedarfs und ungefähr ein Drittel der CO2-Emissionen auf den Gebäudesektor zurückzuführen. Erhalt und Neubau von Gebäuden kosten in Deutschland jährlich rund 450 Tonnen mineralische Rohstoffe (z.B. Kies und Sand) und mehr als 15,5 Mio. Tonnen Metall. Immer mehr Umweltflächen gehen uns verloren: Täglich werden in Deutschland rund 52 Hektar als Siedlungs- und Verkehrsflächen neu ausgewiesen. Das sind alarmierende Zahlen. Denn der globale CO2-Ausstoß nimmt rasch zu, genau wie der Ressourcenverbrauch. Das hat gravierende Folgen für die Umwelt, die Verfügbarkeit von Ressourcen und die Biodiversität.
Angesichts dieser Herausforderungen müssen jetzt Strategien für ein nachhaltiges Bauwesen umgesetzt werden, um den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden entlang ihres gesamten Lebenszyklus drastisch zu reduzieren.

Lebenszyklusanalyse als Grundlage nachhaltigen Bauens

Bei der Lebenszyklusanalyse wird das (geplante) Gebäude auf seine ökologischen, ökonomischen und energetischen Eigenschaften hin untersucht. Dabei wird die gesamte Lebensphase des Gebäudes berücksichtigt. Angefangen bei der Baustoffproduktion, über die Planung, den Bau und die Nutzung des Gebäudes, bis hin zum Rückbau und der Wiederverwendung des Materials.
Mit der Lebenszyklusanalyse als Ausgangsbasis kann ein grundlegender Wandel zu interdisziplinären, gesamtheitlich ausgerichteten Planungsprozessen erreicht werden. Denn Gebäude- und Stadtplanung müssen zum Ziel haben, den CO2-Ausstoß von Gebäuden weitgehend auf null zu verringern. Durch die Analyse können Optimierungspotenziale für ökologische und ökonomische Aspekte bei allen Phasen des Gebäudebaus aufgedeckt werden.
Durch die weitgehende Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen für die Errichtung von Gebäuden kann der Anteil an „grauer Energie“ deutlich reduziert werden. Diese bezeichnet die Energiemenge, welche für die Gewinnung von Baumaterialen sowie für die Errichtung, den Erhalt und den Rückbau eines Gebäudes eingesetzt werden muss. Analog hierzu bietet der Einsatz von erneuerbaren Energien, wie Sonne, Wind, Biogas und Geothermie die Möglichkeit, Gebäude CO2-neutral zu betreiben.

"Wir haben die Verantwortung, auch den Generationen nach uns ein gutes Leben zu ermöglichen. Das ist das Ziel nachhaltigen Bauens."

Prof. Dr.-Ing. Werner Lang

Einsparpotenziale entlang des Lebenszyklus

Die Lebenszyklusanalyse setzt bei der Gebäude- bzw. Städteplanung an: Nachhaltige Rohstoffe zur Materialproduktion müssen priorisiert, nichtnachwachsende Rohstoffe minimiert werden. Unbebaute Flächen wie Wiesen, Wälder, Ackerland und Gewässer sollten freigehalten werden. In der Planungsphase müssen darüber hinaus Mobilitätsaspekte berücksichtigt werden, um eine nachhaltige, emissionsfreie Mobilität sicherzustellen. Außerdem geht es darum, die Wasserversorgung und -entsorgung als Kreislaufwirtschaft schadstofffrei zu gestalten und die Energieversorgung aller Sektoren zu 100 Prozent auf Basis erneuerbarer Energien zu gewährleisten.
Ein wesentlichen Potenzial zur Unterstützung eines komfortablen Außen- und Innenraumklimas beinhaltet der Einsatz von Grüner Infrastruktur zur Verschattung von Freiflächen, Dächern und Fassaden sowie die Nutzung der von Pflanzen erzeugten Verdunstungskälte, womit sich neben der Verschattung der Kühlenergiebedarf von Gebäuden reduzieren lässt. Dies ist neben weiteren Themenfeldern einer der Forschungsschwerpunkte des 2013 gegründeten Zentrums für Klimaanpassung und Stadtnatur (ZSK), welches durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz unterstützt wird.

Die Zukunft des Wohnens

Die Weltbevölkerung wächst rasant. In Zukunft wird sich die Wohnungsknappheit verschärfen und die Biodiversität sich verringern: Immer mehr Menschen werden in Städten leben, in denen sich der Klimawandel immer deutlicher bemerkbar macht. Die Menschen müssen sich in Zukunft gegen häufiger auftretende Naturkatastrophen wappnen. Unsere Städte müssen grüner werden. Zudem wird der gezielte Umgang mit Wasser vor dem Hintergrund zunehmender Hitze und Trockenheit sowie verstärktem Aufkommen von Starkregenereignissen an Bedeutung gewinnen. Nachhaltiges Bauen und nachhaltige Städteplanung entlang des Lebenszyklus von Gebäuden können dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen und Städte, Quartiere und Gebäude dem Klimawandel anzupassen und Ressourcen zu schonen.

Prof. Dr. Lang steht auf einem bepflanzten Dach zwischen Solarpanels.

Wie wir in Zukunft bauen müssen, um dem Klimawandel zu begegnen, dafür findet Prof. Dr. Lang von der TU München Antworten. Foto: © Astrid Eckert / TU München

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Werner Lang ist seit 2010 Inhaber des Lehrstuhls für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen (ENPB) an der Technischen Universität München (TUM) und Gründungsdirektor des Zentrums für Stadtnatur und Klimaanpassung (ZSK). Zuvor war er von 2008 - 2010 Professor für nachhaltiges Bauen und Leiter des Zentrums für Nachhaltige Entwicklung an der University of Texas School of Architecture in Austin, Texas. Neben seiner Arbeit als Forscher und Hochschullehrer ist Werner Lang Direktor des Oskar von Miller Forums, München. Zudem ist er Partner im Architekturbüro Lang Hugger Rampp GmbH Architekten in München.

3 Fragen

Auf welchem Gebiet sind Sie beim Klimaschutz Experte?

Unsere Kompetenzen in den Bereichen Suffizienz, Erneuerbare Energien, Einsatz nachwachsender Rohstoffe, Energieeffiziente Bauweisen sowie Umsetzung geschlossener Kreisläufe ermöglichen uns die Entwicklung von Lösungsansätzen im Hinblick auf CO2-neutrale Gebäude. Suffizienz ist ein wichtiger Baustein, bei dem es darum geht, das richtige Maß zu finden: Erst wenn geklärt wird, wieviel Grundstücksfläche, Wohnfläche, Energie, Material etc. gebraucht wie, kommen die anderen Nachhaltigkeitsaspekte wie der Einsatz von Erneuerbaren Energien im Sinne von Konsistenz und die Frage nach der Effizienz ins Spiel. Methoden wie Lebenszyklusanalyse und Ökobilanzierung sind weitere Bausteine zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele im Bauwesen.

Seit wann forschen Sie im Bereich Klimaschutz?

Ich habe bereits im 6. Semester meines Studiums 1985 begonnen, mich mit den Möglichkeiten CO2-neutraler Bauweisen auseinander zu setzen. Erste Forschungsaktivitäten im akademischen Sinn gehen auf meine Tätigkeit als wiss. Assistent am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie, Prof. Dr. Thomas Herzog/TUM zurück; das war 1994.

Was sind Ihre Ziele? Was wollen Sie für den Klimaschutz erreichen?

Vor dem Hintergrund der großen Bedeutung des Bauwesens ist es das Ziel unserer Arbeit, Konzepte zur Umsetzung eines positiven ökologischen Fußabdrucks im Bauwesen zu entwickeln. Das geht über unsere Bestrebungen, den Klimaschutz maßgeblich voranzubringen, weit hinaus. Neben dem Erreichen eines CO2-neutralen Gebäudebestands müssen wir dementsprechend auch den Ressourcenverbrauch im Hinblick auf den Einsatz von Material, Energie, Wasser und Boden grundlegend verringern. Durch die Entwicklung von Strategien, Methoden, Technologien und Lösungsansätzen zum Bauen mit einem positiven Fußabdruck soll es künftig möglich sein, Gebäude mit positiven Umweltwirkungen zu realisieren.